Geschichte

Magere Zeiten

Die Kriegsjahre 1914 bis 1918 beendeten die Bautätigkeit: Zugesagte Darlehen wurden nicht mehr ausgezahlt und Baumaterial fehlte. Nur Kriegsparzellen, auf denen man Kohl und Kartoffeln pflanzte, fanden ihre Pächter. Nach dem Krieg war die Nachfrage an Wohnungen besonders groß. 1919 wurden weitere 195 Einfamilienhäuser in Angriff genommen, aber es mangelte an wichtigen Baumaterialien und die Fertigstellung bereitete Sorgen. Die Inflation trieb die Preise rasch in die Höhe. Fast monatlich musste die Miete erhöht werden.

Neuer kultureller Mittelpunkt

Im Mai 1922 trafen sich einige Mitglieder der Gartenstadt-Genossenschaft im Gasthaus „Zur Stadt Mannheim“ (Trunzer), Ecke Speckweg/ Alte Frankfurter Straße. Vom Gesang eines jungen Mannes mit herrlicher Tenorstimme inspiriert, beschlossen sie, einen Gesangverein zu gründen. 26 Männer folgten dem Aufruf: „Sangesfreunde treffen sich am Freitagabend im Casino der Firma Bopp & Reuther zwecks Gründung eines Gesangvereins in der Gartenstadt“ im „Mannheimer Generalanzeiger“. Am selben Abend des 29. Mai 1922 wurde der „Männerchor Gartenstadt“ gegründet.

Bald wollte der Chor ein Gasthaus in der Gartenstadt. 1925 zog er, inzwischen auf 50 Sänger angewachsen, vom Waldhof in das von der Genossenschaft gebaute Gesellschaftshaus am Freyaplatz um. Männerchor und Gesellschaftshaus wurden zum Mittelpunkt des kulturellen Geschehens in der jungen Gartenstadt: Es gab Unterhaltungsabende, Filmvorführungen und Vorträge.

Der Blumencorso zog zahlreiche Besucher an
Drei Jahre feierte die Gartenstadt ihren Blumencorso

Legendär wurden die Blumenkorsos des Vereins mit Beteiligung der Genossenschaft in den Jahren 1924, 1925 und 1926, zu denen Tausende aus der ganzen Umgebung anreisten. Aus dieser Zeit stammt auch der Gartenstadt-Sängerspruch. Auf dem Programm zum Umzug steht: „Der Blumenkorso beginnt in der Waldpforte, er bewegt sich durch sämtliche Straßen der Gartenstadt und endigt auf dem großen Festplatz am Ende der Freyastraße. Auf dem Festplatze: Großes Sommerfest mit Konzert und Kinderbelustigung.“

Herta Walter war als Kind Teilnehmerin des Umzugs. Sie berichtet im Gartenstadt Journal; März 2003: „Der Blumenkorso stand jedes Mal unter einem Motto, zum Beispiel deutsche Märchen oder deutsche Lieder. Er war immer Ende Juli oder Anfang August. Dann war die Gartenstadt festlich geschmückt mit Girlanden und Fahnen an Häusern und Fenstern. Es herrschte Volksfeststimmung. Am Ende der Freyastraße war der Festplatz mit Wein-, Bier- und Kaffeezelten. 5000 Sitzplätze, Doppelkonzert, Tanz, Kinderbelustigung, Vergnügungspark und Fahrrad-Garage standen bereit. Beim Umzug sah man badische Trachtengruppen, blumengeschmückte Kindergruppen, Festwagen, von Brauereipferden gezogen und mit bunten Blumengirlanden geschmückt. Jeder Wagen stellte ein Motiv dar: Auf dem Loreley-Felsen saß die Lotte Bley, weil sie so rote Haare hatte. Die Geschwister Scheid waren „Hänsel und Gretel“. Die 16-jährige Schwester stellte mit einem Bub das Volkslied „Jetzt gang i ans Brünnele“ dar.“ Eine weitere kulturelle Einrichtung gab es mit der öffentlichen Bücherei Anfang der 20er Jahre.